Ariadnes Faden: Verstrickungen anderer Art

Von Barbara Zürcher

Monika Feuchts Werk hat viele Gesichter, es spricht mehrere Sprachen und kennt viele Tonlagen. Mit eben soviel Ironie wie Poesie, Observation wie Subversion betreibt die Künstlerin in ihren Bildern, Objekten, Zeichnungen und Installationen eine Recherche, die in den Blick nimmt, was den Menschen in seiner unmittelbaren Alltagswelt umgibt.Der ungezwungene Umgang mit verschiedenen künstlerischen Techniken und ungewöhnlichen Materialien prägen den Charakter ihrer Arbeit. Arbeiten,mit denen sie amüsantironische Antworten auf tradierte Weiblichkeitsklischees liefert und gleichzeitig ihre eigene Identität als Frau und Künstlerin auslotet. Im Mittelpunkt steht der Körper. Nie ist es jedoch der Körper selbst, den Monika Feucht darstellt, vielmehr greift sie auf Alltagsgegenstände zurück, die in verschiedener Hinsicht auf ihn verweisen: Haare, Bürsten, Tampons, Nadelkissen, Korsagen, Klettbänder, Katzenschwänze und Hasenpfoten... Durch spielerische Umwandlungen enthebt sie einzelne Objekte ihrer Alltagsfunktion und präsentiert sie in einem neuen Kontext, was ihnen bisweilen einen absurden Ausdruck verleiht. Behaarte biomorphe Objekte, die an menschliche Organe erinnern, evozieren Momente der Intimität, die zugleich erschrecken und faszinieren: eine wundersame Mischung aus Ekel und sinnlicher Ästhetik.

Immer wieder sind es Linien und Fäden, die ein Gewebe weben. Mit Geduld und Ausdauer, mit Liebe und Aufmerksamkeit einen Vorgang wiederholen und sukzessive, Schritt für Schritt, mit der Zeit ein Ding herstellen – Strich für Strich, Haar für Haar, feinste Härchen am Nackenansatz, kleine eigensinnige Wirbel, Bleistiftstrich neben Bleistiftstrich, ein Hinterkopf im Grossformat: «Heinz», Graphit auf Papier, 199x148 cm, 2007, S. 95. Die initiale Leere des weissen Blattes nämlich, in welche die Hand ihre erste Spur setzt, lässt sich als primäre Szene des Zeichnens charakterisieren. Walter Benjamin hat der Linie gar die Fläche zugeschrieben, die Fläche zu bezeichnen und diese zu bestimmen, indem die Linie sich die Fläche selbst als ihrem Untergrund zuordnet: Die Linie verleiht ihrem Grund Identität.

Leben, Kunst und Werk bilden im Tryptichon eines Künstlerlebens keine Bastion des Linearen, statt dessen einen Weltenknoten – und Knoten lassen sich schliesslich nicht mit einer Hand knüpfen und lösen. Dinge passieren nebeneinander, nicht hintereinander. Wirklichkeiten konkurrieren simultan. Wie das Leben zur Kunst gemacht wird, bleibt nicht länger eine offene Frage. Der ästhetische Auftrag lautet: Die Poesie abschütteln, indem man Poesie macht, kurz: poetisch leben. Bei diesem Knoten ist die Lösung das Problem. Doch Vorsicht ist geboten: Ariadnes Faden führt direkt in die Verstrickungen des Labyrinths, wenn sich plötzlich herausstellt, dass ein anderer die Fäden in den Händen hält und dass sie selbst an einem davon hängt...

Barbara Zürcher
Direktorin HAUS FÜR KUNST URI